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CHRISTIAN SIEGENTHALER AUS BIEMBACH

Der Meister der tausend Striche

Die Bilderbörse Gallery im Rüegsauschachen zeigt Tuschzeichnungen von Christian Siegenthaler. Der ehemalige Lehrer aus Biembach gibt Bauernhäuser, Bäume und Landschaften in spezieller Technik wieder.

burgdorf

«Ich zeichnete und malte schon als Bub gerne und nahm auch mit Erfolg an Wettbewerben teil», erinnert sich der pensionierte Lehrer aus Biembach. Doch die Kunstmalerei zum Beruf zu machen, das wäre Christian Siegenthaler zu unsicher gewesen, galten doch die schönen Künste von jeher als brotlose Lebensgrundlage. Am Lehrerseminar vermittelte ihm der Zeichenlehrer Walter Simon weitere Anregungen. Doch der Griff zu Stift oder Pinsel blieb – ausser im schulischen Zeichenunterricht – ein selten ausgeübtes Hobby. Das änderte sich, als Siegenthaler nach 40 Jahren Unterrichten in den Ruhestand trat.

Vorbild entdeckt

Nun hatte er Zeit, sein Maltalent weiterzuentwickeln. An einem Malkurs riet ihm der durch seine Holzskulpturen bekannt gewordene Urs Twellmann, sich endlich zu einem bestimmten Stil zu entschliessen. Das fiel Siegenthaler mit einem Mal nicht mehr schwer, denn in seiner Klasse war ihm ein Teilnehmer aufgefallen, der mit Tuschstift zeichnete.

Das war es. Mit unzähligen, hauchfeinen Strichlein eine lebendige Landschaft mit beeindruckender Licht-Schatten-Wirkung entstehen zu lassen, das «Dazwischen» zu zeichnen, damit das Eigentliche zum Vorschein komme – fortan war Siegenthaler bestrebt, in dieser Manier zu schaffen.
In der Wohnung hängen, neben den eigenen, auch einige Originalzeichnungen von Emil Zbinden. Auch dieser Künstler war dem Emmental verfallen und gab seine Eindrücke nur in Schwarzweiss wieder. Siegenthaler kannte ihn noch persönlich und bezeichnet ihn als grosses Vorbild.
Fleiss und Ausdauer seien von jeher Teil seiner Persönlichkeit gewesen, sagt der Zeichner. Die braucht es, wenn er mit Feldstuhl, Block und 0,1 Millimeter feinem Tuschstift unterwegs ist. Er skizziere nichts; so, wie er mit irgendeinem Blatt anfange, wachse die Zeichnung weiter. Schwer zu sagen, ob der Baum mehr Blätter oder seine Zeichnung mehr Striche habe. Er schaue genau hin und füge wie eine Nähmaschine in raschem Tempo Strich an Strich.

Der Zauber der Stimmung

Man soll in seinem Wald keine Tiere sehen, aber sie im Dickicht erahnen. Wie das zweijährige Grosskind, das bei einem Bild immer «Häsi» rufe, obwohl gar keines zu sehen sei. Natürlich müssten Proportionen und Perspektive stimmen, das verlange sein Ehrgeiz, sonst aber lasse er sich von der Stimmung verzaubern, erläutert Siegenthaler. An einer Zeichnung arbeite er manchmal mehrere Tage. Nur selten vollende er sie zu Hause, darum brauche er auch kein Atelier. Hingegen befindet sich unter dem Dach eine kleine, private Galerie. Einige seiner Bilder verschenke er bei besonderen Ereignissen, andere würden gekauft, oft als Andenken ans Elternhaus oder die vertraute Umgebung der Kindheit.

Dass er seine Bilder derzeit in der Gallery in Rüegsauschachen zeigen darf, freut ihn natürlich. Doch eine Karriere als Maler strebe er keineswegs an. «Mir macht es einfach Freude, wenn jemand sich für meine Bilder begeistert», sagt er. So wie jenes Schulkind, das ihm beim Zeichnen zuschaute und spontan ausrief: «Das Bild ist ja schöner als das da» – womit es die wirkliche Landschaft meinte.Gertrud Lehmann

Bilderbörse Gallery, geöffnet Do, Fr und So 14–17 Uhr, Sa 10–12 und 13–16 Uhr, Ausstellung 3.–24. April.

Artikel im Internetauftritt der Berner Zeitung >>> Zurück zum Inhaltsverzeichnis